(update) Eine Mitteilung des französischen Regierungssprechers Gabriel Attal scheint meiner Darlegung zu widersprechen. Er sagte, Frankreich halte an seinen „Roten Linien“ fest, insbesondere hinsichtlich Fischereirechten (Reuters). Ich neige dazu, die Mitteilung als Teil eines Fernduells mit dem britischen Transportminister aufzufassen, der verkündete, eine Verlängerung der „Übergangsphase“ komme nicht in Betracht.
update Ende
„Le Monde“ von heute:
Die Europäer machen den zoll- und quotenfreien Zugang der Briten zu ihrem riesigen Markt von der Lösung der Fischereifrage abhängig, d.h. von den Bedingungen für den Zugang ihrer Fischer zu britischen Gewässern. Für einige Mitgliedstaaten, allen voran Frankreich und die Niederlande, ist das Thema trotz seines geringen wirtschaftlichen Gewichts von großer politischer und gesellschaftlicher Bedeutung. Auf der anderen Seite des Kanals symbolisiert die Kontrolle der Gewässer eine wiedergewonnene britische Souveränität dank des Brexit.
Bei den beiden anderen schwierigen Fragen – wie Streitigkeiten beizulegen sind und Maßnahmen zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb – haben sich die Positionen in der vergangenen Woche angenähert, auch wenn die Diskussion noch offen ist.
Die Europäer fordern in London Garantien, um ihren riesigen Markt vor der Gefahr von Dumping in Umwelt-, Arbeitsrechts- oder Steuerfragen zu schützen. Sie wollen auch sicherstellen, dass Großbritannien seine Wirtschaft nicht um jeden Preis subventioniert, ein Punkt, bei dem beide Seiten um einen Kompromiss ringen.
IMB – Verabschiedung totgeschwiegen, britische Sonderrechte IN der EU bekommen den Namen „Brexit“
Man vergleiche das LeMonde-Zitat mit einem Statusbericht der irischen Berater- und Lobbykanzlei Mason Hayes & Curran LLP von Mitte Oktober:
Die Kontroverse um den vom Vereinigten Königreich vorgeschlagenen Gesetzesentwurf zum Binnenmarkt („Internal Market Bill“, IMB) hat der aktuellen Unsicherheit über das Handelsabkommen eine weitere Ebene hinzugefügt. Der Gesetzentwurf soll den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in einem Großbritannien nach dem Brexit regeln. Es schlägt vor, den Ministern der britischen Regierung die Macht zu geben, Teile des Austrittsabkommens außer Kraft zu setzen.
Der Gesetzentwurf soll sicherstellen, dass der Handel zwischen allen vier Heimatländern des Vereinigten Königreichs auch nach dem 31. Dezember 2020 barrierefrei bleibt. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat ihre Bedenken geäußert, dass die Verabschiedung des Gesetzes gegen internationales Recht verstoßen würde. Am 1. Oktober 2020 teilte die EU dem Vereinigten Königreich förmlich mit, dass die Europäische Kommission der Ansicht ist, dass das Vereinigte Königreich gegen das Austrittsabkommen verstößt.
Die IMB ist nicht bloß ein ärgerlicher Bruch des Brexit-Vertrages, sondern hat massive militärpolitische Konsequenzen. Ein Hauptziel der jahrelangen Verhandlungen war die Vermeidung einer „harten“ Grenze zwischen EU und UK auf irischem Territorium, die zu kriegerischen Konfrontationen führen muß, im Maße, wie die Kontrolle des Personen-, Handels-, Dienstleistungs- und Finanzverkehrs Anlaß zu Schmuggel, halbseidenen Geschäften und Turfkämpfen zwischen den verfeindeten Volksgruppen bieten wird. Das ist nicht nur im Falle eines „No Deal“ virulent. Voraussetzung, so etwas zu verhindern, wäre die Übernahme der EFTA-Regeln durch das UK, die – allgemein zusammen gefaßt – eine Übernahme der EU-Regulationen, die den Wirtschaftsverkehr mit dem Binnenmarkt betreffen, in das Handels- und Verkehrsrecht der EFTA-Länder vorschreiben. Das hat das UK von Beginn an abgelehnt. Das IMB sieht für den Fall eines „Deals“, eines Freihandelsvertrages mit der EU vor, daß die Regierung des UK wettbewerbsrechtliche Bestimmungen des Vertrages, das sogenannte „level playing field“ betreffend, für den „internen“ UK-Verkehr außer Kraft setzen kann. Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht werden damit UK-intern legalisiert, daher im Verkehr mit der EU unkontrollierbar. Für die irisch-nordirische Grenze und Nordirland selbst sind bewaffnete Bandenkämpfe und harte Konfrontationen mit der irischen Grenzpolizei zu erwarten.
Das IMB ist vom britischen Parlament am 17. Dez. vor vier Tagen, mit Wirkung zum 1. Jan. verabschiedet worden. Kein Wort darüber im LeMonde-Artikel oder irgendwo in der Brexit – Presse des deutschen Mainstream – der folgenreiche Vertragsbruch wird totgeschwiegen. Ein sicheres Zeichen, daß die Sonderrechte des UK in der EU, die den Namen „Brexit“ tragen, beschlossene Sache sind.
Hybrider Krieg über Wettbewerbsregeln und Standards zwischen UK und EU
Im o. zit. Bericht von M.H. & C. LLP hieß es weiter:
Verhandlungsergebnisse im Bereicht „Level Playing Field“ werden die größten Auswirkungenim Finanzdienstleistungssektor haben. (…) Gleiche Wettbewerbsbedingungen sind ein grundlegender Aspekt der Finanzdienstleistungen innerhalb des EU-Binnenmarktes, der den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht.
Ich habe das kürzlich in „Brexit (12/20)“ relativ ausführlich besprochen, doch weiter mit der Quelle:
Insbesondere wird der Brexit Konsequenzen für die im Vereinigten Königreich ansässigen Finanzinstitute haben, die auf den „Pass“ des Europäischen Wirtschaftsraums („EWR“) angewiesen sind, um Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu erhalten. (…) Wenn bis zum 1. Januar 2021 keine Regelungen getroffen werden, enden die Passporting-Rechte für Finanzdienstleister aus dem und in das Vereinigte Königreich (und) britische Finanzinstitute (müssen) eine Basis innerhalb der EU errichten, um weiterhin Dienstleistungen innerhalb der EU anbieten zu können. Britische Finanzinstitute (müssen) in eine Jurisdiktion innerhalb der EU umziehen, von der aus sie ihre Finanzdienstleistungen passportieren können. Irland ist ein naheliegendes Domizil für britische Firmen, die ihren Sitz innerhalb der EU verlagern wollen …
Die Auswirkungen des Brexit auf EU-Firmen, die ihre Dienstleistungen in das Vereinigte Königreich passportieren …
Die britische Regierung hat eine befristete Genehmigungsregelung für bestimmte EU-Firmen, Investmentfonds und deren Manager eingeführt, die ihre Dienstleistungen in das Vereinigte Königreich passportieren (das „Temporary Permissions Regime“). Diese Regelung erlaubt für einen Zeitraum von drei Jahren grenzüberschreitend Dienstleistungen im Vereinigten Königreich zu erbringen, während sie eine Genehmigung der zuständigen britischen Aufsichtsbehörde einholen. Mit Wirkung zum 30. September 2020 hat die FCA EU-Firmen eine weitere dreimonatige Frist eingeräumt, das „Temporary Permissions Regime“ in Anspruch zu nehmen.
Ein Verlust der EU-Passporting-Rechte muss nicht das Ende für die Erbringung von grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen aus Großbritannien bedeuten. Eine Option, die man in Betracht ziehen sollte, sind die sogenannten „Drittland“-Bestimmungen, die in bestimmten Richtlinien wie MiFID, AIFMD und der Solvency-II-Richtlinie vorgesehen sind. Diese Bestimmungen erlauben Drittlandfirmen, d.h. Firmen, die nicht im EWR ansässig sind, einige grenzüberschreitende Dienstleistungen im EWR zu erbringen, ohne dass die Drittlandfirma in der EU zugelassen sein muss, vorausgesetzt, die Rechtsprechung des Drittlandes hat Gesetze, die als „gleichwertig“ mit denen des EWR angesehen werden. Die Verfügbarkeit dieser Rechte hängt allerdings davon ab, daß die EU-Kommission eine solche „Gleichwertigkeit“ zertifiziert. Dieser Bewertungsprozess ist oft langwierig und erfordert eine sorgfältige Prüfung.
Außerdem ist die Gleichwertigkeit nur in bestimmten Richtlinien vorgesehen. Wichtige Regelwerke wie das Bankwesen (CRD) und der Zahlungsverkehr (PSD2) sehen keine Äquivalenzregelungen vor, und die in Solvency II vorgesehene Äquivalenzregelung erstreckt sich nur auf bestimmte Bereiche wie Rückversicherung und Gruppenaufsicht.
Als Frist für die Gleichwertigkeitsprüfung zwischen Großbritannien und der EU wurde Ende Juni 2020 angepeilt, diese Frist wurde jedoch nicht eingehalten. Das bisherige Scheitern einer Gleichwertigkeitsbeurteilung bedeutet, dass britische Firmen, wenn kein Handelsabkommen vereinbart wird, nicht in der Lage sein werden, weiterhin Finanzdienstleistungen ohne regulatorische Hindernisse oder Kostenfolgen anzubieten.
Divergenz: Mit der Zeit besteht das Risiko, dass die regulatorischen Standards und Rahmenbedingungen zwischen Großbritannien und der EU divergieren.
Beispielsweise bemühen sich Versicherungsunternehmen in Großbritannien bereits um Änderungen bei der Umsetzung von Solvency II, wenn die Übergangsfrist endet. Die Prudential Regulation Authority, die Aufsichtsbehörde für die britische Versicherungsbranche, hatte zuvor Probleme mit der Risikomarge unter Solvency II eingeräumt, konnte aber keine Änderungen vornehmen, da dies eine Einigung auf EU-Ebene erfordern würde.
Darüber hinaus wird die EU in den kommenden Jahren Änderungen an den Rahmenbedingungen für verschiedene Finanzdienstleistungssysteme vornehmen, die für im EWR ansässige Unternehmen gelten, was zu weiteren Divergenzen führen wird, sofern das Vereinigte Königreich nicht ähnliche Änderungen übernimmt.
Kurzum: Der Entfall einer Einigung auf dem Feld der Wettbewerbsregeln, den die LeMonde kommentarlos rapportiert, wird zu Verwerfungen im gesamten westeuropäischen Handels- und Finanzverkehr führen, egal, ob es in letzter Minute einen vom UK und der EC diktierten „Deal“ geben wird, oder nicht. Das betrifft abermals besonders das Verhältnis Irlands zur EU. Im irischen Handels- und Finanzdienstleistungssektor werden die UK-Sonderrechte starke Anreize schaffen, EU-Recht zu unterlaufen. Ähnliche Entwicklungen sind für die EFTA-Länder zu erwarten, namentlich Schweiz und Lichtenstein.
Die „Corona“-Quarantäne über das UK ist hygienisch absurd
Vgl. Britische CoV-2-Mutante ist ein Einhorn mit zwei Köpfen.
Die Mutante ist seit drei Monaten unterwegs und bereits quer durch den Kontinent aufgefunden worden. Es gibt keine Kapazitäten für ein genetisches Monitoring der Infizierten, die auch nur die entfernteste Chance für eine Eliminierung böte. Der „Brexit“, der keiner sein darf und gemäß der ökonomischen Voraussetzungen keiner sein kann ist der einzige Grund für den Irrsinn. Von verschiedenen Seiten, darunter namentlich Nicola Sturgeon, First Minister of Scotland und Vorsitzende der separatistischen Scottish National Party, die vor wenigen Tagen verbindlich ein neues Unabhängikeits – Referendum angekündigt hat, obwohl Boris Johnson mehrfach gedroht hat, es zu unterbinden, wird der britischen Regierung die teilweise Abschottung des UK vom Kontinent als eine gesichtswahrende Gelegenheit angeboten, vom „No Deal – Brexit“ zurück zu treten und der EC eine Verlängerung der „Übergangsfrist“ anzudienen. Unausgesprochen bleibt, daß auch Macrons Frankreich auf diesem Weg auf gesichtswahrende Weise von der Konfrontation Deutschlands über die „Brexit“-Sonderrechte des UK abrücken könnte. Bleibt nur die Frage, ob B.J. sich auf eine Verzögerung des hybriden Krieges mit der EU, und damit der weiteren Vertiefung der Spaltung zwischen Paris und Berlin, einlassen will, oder nicht.